Verhaltensbeobachtung - Tagebuch

Die untere Tabelle soll helfen, Verhalten, Situationen, Vorfälle, etc strukturiert zu analysieren und festzuhalten. Eine anfängliche Zuhilfenahme eines Fachbuches oder eines Seminars ist zu empfehlen. Über dieses Thema gibt es etliche, einfach Dr. Google fragen ;-)

Konfliktverhalten und Frustration des Hundes - Ein Konflikt besteht aus Reizsender und Reizempfänger

Konfliktverhalten entsteht, wenn zwei gleichstarke Reize auf einen Hund wirken, denen sich der Hund nähern oder die er meiden möchte. Da der Hund jedoch nicht zeitgleich mit Meiden und/oder sich Nähern reagieren kann, entsteht Handlungsunfähigkeit. Oder anders ausgedrückt – die eigentlich beabsichtigenden Verhaltenstendenzen (annähern und/oder meiden) schließen sich gegenseitig aus. Da der Hund aber nicht nix machen kann, wird stattdessen ein anderes Verhalten gezeigt. Dieses Konfliktverhalten können Beschwichtigungssignale, Übersprungsverhalten, Leerlaufhandlungen oder umgeleitetes Verhalten (Ersatzhandlung) sein, die am Gleichgewichtspunkt (siehe Beispiel), also genau mittig, der auslösenden Reize auftreten. Konfliktverhalten kann jedes Verhalten darstellen und wird daran erkannt, wenn das gezeigte Verhalten situativ unangemessen/unpassend ist oder beim Gegenüber eine andere Verhaltenstendenz bewirkt. Dazu zählen die klassischen Signale wie die eigene Schnauze lecken (licking Intention), urinieren, hecheln, sich beknabbern, gähnen aber auch schnüffeln, Penis ausfahren oder das Aufrichten des Nackenfells. Bei Kompensationshandlungen ist häufig das Zerstören von Gegenständen, Stereotypie und Bellen oder Winseln in ausgeprägter Form zu nennen:

 

Beispiel: Ein Hundebesitzer ist auf den Heimweg und entfernt sich aus einer Hunde-Spiel-Gruppe. Eine für den Hund identische Entfernungen zwischen Hundegruppe und Besitzer wäre hier ein Gleichgewichtspunkt. Der Hundebesitzer ruft seinen Hund. Dieser möchte einerseits lieber bei der Spiel-Gruppe bleiben, aber auch auf das Rufen seines Besitzers reagieren. Hin und her gerissen kann der Hund nicht auf zwei „gleichstarke“ Situationen zeitgleich reagieren. Der Hund befindet sich in einem Konflikt und wird mit Übersprungsverhalten reagieren. Hier sollte der Hundebesitzer seine gesendeten Signale (Reize) durch wegrennen, klatschen oder anderen Verstärkern intensivieren. Wenn die Endhandlung ausbleibt, aber auch wenn nur ein Reiz vorhanden ist, dieser jedoch zu schnell entfernt oder nicht erreicht werden kann und eine Endhandlung nicht erfolgt, kommt es zur Hemmung der aktuellen Verhaltenstendenz, und eine bis dahin zweitrangige Verhaltensweise (Übersprungsverhalten) kann ausgeführt werden.

 

Beispiel: Ein begonnenes Spiel zwischen Hund und Hundebesitzer wird abrupt wieder beendet. Der Hund kann das aktivierte Verhalten (Spielverhalten) nicht ausleben, eine Endhandlung bleibt aus. Annäherung oder Vermeidung: Um Konfliktverhalten zu bewerten, muss die Art des gesendeten Reizes Beachtung finden. So können Reize beim Empfänger Annäherung oder Vermeidung/Flucht auslösen. Es können aber auch zwei Reize gegensätzliches Verhalten beim Empfänger auslösen, also zeitgleich zur Entfernung und Annäherung motivieren.

Alle Hunde müssen tagtäglich eine Vielzahl an Konfliktsituationen bewältigen, in denen sie mit den entsprechenden Signalen kommunizieren und uns oder anderen Artgenossen ihre Gefühle mitteilen. Hundehalter die mehrere Hunde haben wissen, im besonderen Maße, wie häufig ihre Hunde solche Konfliktzeichen untereinander zeigen. Jeder Hund hat seine spezifischen Konfliktzeichen, die bevorzugt gesendet werden. Beobachte deinen Hund eine Weile und du wirst sie entdecken.

 

Funktionskreise bzw. Verhaltensformenkreise: Den Begriff Funktionskreis mit einfachen Worten erklärt: Jede einzelne Verhaltensweise (Bsp. Kaubewegung) dient einer bestimmten biologischen Funktion oder Ziel. Verschiedene Verhaltensweisen, die ein gemeinsames Ziel haben, lassen sich in eine Kategorie zusammenfassen. Diese Kategorie nennt man Funktionskreis. So ist das Verfolgen von Beute (Jagd-Verhalten) der Funktion des Nahrungserwerbs zuzuordnen, welches wiederum dem gesamten Funktionskreis des Stoffwechselbedingtem Verhalten untergeordnet ist. Das Stehlen, Fressen, Verdauen von Nahrung und Ausscheidungsverhalten (koten) gehören ebenfalls zum Stoffwechselbedingten Verhalten. Territorialität zum Funktionskreis des Sozialverhaltens. Ebenso Kommunikation mit Artgenossen, Angstverhalten, Aggression gegen belebte und unbelebte Umwelt oder Problemverhalten wie Stereotypie. Insgesamt sind beim Wolf ca.360 einzelne Verhaltensweisen bekannt. Beim Hund sind nach ca. 240 einzelne Verhaltensweisen benannt.

 

Beispiel einer Problemermittlung anhand der Funktionskreise:

Ein Hund hechelt an einem kühlen Wintertag, ohne das dieser sich vorweg bewegt hat. Aufgrund der Kälte wäre allerdings statt Wärmeabgabe eine Wärmespeicherung ein natürliches und energiesparendes Verhalten. Die Funktion des Hechelns gehört zur Wärmeregulation des Körpers und ist ein eindeutiges Zeichen darauf, dass der Körper überhitzt bzw. sein Stoffwechsel stark aktiv ist. Dementsprechend ist das Hecheln im Funktionskreis Stoffwechselbedingtes Verhalten, genauer Thermoregulatorisches Verhalten, zu kategorisieren. Gemessen am natürlichen Verhalten eines Hundes (in diesem Beispiel Wärmespeicherung/Wärmeerhalt) liegt hier ein Ungleichgewicht vor, dessen Ursachen zu ergründen sind. Hecheln ist in diesem Zusammenhang ein abnormales Verhalten und die Gründe dafür können ganz unterschiedlicher Natur sein.

 

 

Bedeutung von Konfliktverhalten:

Bei Konfliktverhalten unterscheiden wir zwischen Beschwichtigungsverhalten, Umleitungsverhalten, Übersprungsverhalten und Leerlaufhandlungen.

 

1. Beschwichtigungsverhalten: Durch Beschwichtigungssignale werden beim Gegenüber (Reizempfänger) andere mit aggressivem Verhalten nicht vereinbare Verhaltenstendenzen aktiviert. Beschwichtigungssignale dienen dazu, einen Kampf zu verhindern bzw. eine Auseinandersetzung zu beenden. Beschwichtigungssignale stammen hauptsächlich aus dem sexuellen Bereich oder der Eltern-Kind-Beziehung. Diese Beschwichtigungssignale sind immer das Ergebnis eines inneren Konflikts. Um Energieressourcen zu sparen, werden Beschwichtigungssignale in einer konfliktträchtigen Situation nur dann gesendet, wenn die Erfolgschancen abzusehen sind. Von beschwichtigenden Verhalten wird aktuell nur dann gesprochen, wenn sich der Hund die Schnauze leckt, sich klein macht und pfötelt. Andere Verhaltensweisen, die irrtümlicherweise als solche beschrieben werden, haben keine beschwichtigende Wirkung auf einen Kontrahenten. Dies wurde in Studien nachgewiesen.

 

2. Übersprungsverhalten: Bei Übersprungshandlungen hemmen sich zwei gleichstarken Verhaltenstendenzen (oder nur eine Verhaltenstendenz), so dass eine dritte Verhaltenstendenz zum Durchbruch kommt, die bereits vorher in abgeschwächter Form vorhanden war. Das ausgeführte Verhalten stammt aus einem anderen Funktionskreis. Daher auch die Namensgebung, es „springt“ von einem Funktionskreis in einen anderen über. Verhaltensweisen der Nahrungsaufnahme, Körperpflege oder auch Paarung und Nestbau sind in gewissem Maße ständig aktiviert und kommen deshalb in Übersprungsverhalten häufig zum Durchbruch. Dazu gehören Verhalten wie kratzen, sich beknabbern, schütteln, gähnen, speicheln, aufreiten, schnüffeln, markieren u.s.w.

 

3. Umleitungsverhalten (Ersatzhandlung): Bei umgeleiteten Verhalten wird das beabsichtigte Verhalten nicht auf das eigentlich Objekt/Subjekt gerichtet, weil es hemmende Reize aussendet. Stattdessen wird die Reaktion auf ein drittes neutrales Objekt gerichtet. Das ausgeführte Verhalten bleibt im selben Funktionskreis bestehen. Umgeleitetes Verhalten wird auch Umorientiertes oder Umadressiertes Verhalten gebannt.

Beispiel: Ein Hund begegnet einen Artgenossen mit Beißintention, traut sich jedoch nicht, diesen anzugreifen. Statt den Rivalen anzugehen, wird nun der Hundebesitzer oder aber ein rangniedrigeres Tier gebissen. Vorausgesetzt es handelt sich nicht um territoriales Verhalten, so ist z.B. das Jagen von Radfahrern ein umgeleitetes Jagdverhalten, statt den Hasen wird nun ein anderes bewegtes Objekt verfolgt.

 

4. Leerlaufhandlungen: Tendenziell sind Leerlaufhandlungen weniger bei erwachsenen Hunden zu beobachten. Bei Welpen ist es jedoch häufiger zu sehen, dass ohne ersichtlichen Grund eine Handlung spontan vorgenommen wird.

Beispiel: Das Ausführen des Mäuselsprungs ohne ersichtliche und vermutete Beute, wie Maus, Blätter, Käfer oder ähnliches. Eine verhaltensbiologische Beschreibung laut PD Dr. René Weinandy findet sich im Wörterbuch der Verhaltensbiologie (2006, Seite 183). Sinngemäß heißt es: Leerlaufhandlungen gehören zu Konfliktverhalten, wie Ersatz- und umgeleitetes Verhalten. Sie verbrauchen ein gewisses Maß an Handlungsbereitschaft und reduzieren biologisch unbefriedigte Motivationen.

 

Frustration – die Sonderform des Konflikts:

Frustrations-Verhalten beinhaltet, dass derjenige aggressiv reagiert, der im zielstrebigen Verhalten oder am Erreichen eines Zieles gehindert wird. Vorrausetzung ist, dass der Handelnde das Ziel kennt, sich also in einer Erwartungshaltung befindet. Anders als bei Konfliktverhalten entsteht Frustration durch Erwartungsenttäuschung.

Beispiel: Ein Hund darf immer auf dem Sofa schlafen. Verlangt der Hundebesitzer, dass der Hund das Sofa verlassen soll, wird dieser mit knurren und Drohverhalten reagieren.